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Urteile

       
Keine Anwaltsberatung „light" durch Onlineformular


                       
Gericht:
              
LG Berlin
                      
Entschei­dungs­datum:
              
05.06.2014
                      
Akten­zeichen:
              
14 O 395/13
                      
Dokumenttyp:
              
Urteil
              
                      
Quelle:
              
                      
              
Deutscher Anwalt­verein
                      
Fundstelle:
              
AnwBl 2014, 1059
                      
Normen:
              
§ 675 BGB, § 280     BGB
                      
Zitier­vor­schlag:
              
AnwBl 2014, 1059
              
       
 
Titelzeile
 
 
Keine Anwaltsberatung „light" durch Onlineformular
 
 
Leitsatz
 
 
Der Hinweis eines Anwalts im Internet auf eine schnelle und kostengünstige Scheidung entbindet den Anwalt nicht von der Verpflichtung, den Mandanten umfassend zu beraten.
 
 
(Leitsatz der Redaktion)
 
 
Aus den Gründen: Im vorliegenden Fall hat die Klägerin zu 1. ihren Auftrag zwar eingeschränkt, weil sie den beklagten Anwälten von vornherein schon in dem Scheidungsformular die Vorgabe gemacht hatte, dass beide Eheleute im Scheidungsverfahren auf den Versorgungsausgleich und den Ehegattenunterhalt verzichten, dennoch durften die Anwälte der Beklagten von einem solchen eingeschränkten Anwaltsauftrag nicht ausgehen. Es war von vornherein klar, dass ein über das Internet bereit gestelltes Scheidungsformular der Anwaltskanzlei nur ein erster Kontakt zum Mandanten sein kann und sich erst in einem Beratungsgespräch herausstellen wird, inwieweit der Mandant Beratung braucht. Der erkennende Richter hält es für grundsätzlich pflichtwidrig und fehlerhaft, allein aufgrund eines solchen Scheidungsformulars im Internet oder aufgrund einer telefonischen Rücksprache von einem bestimmten Sachverhalt auszugehen und die weitere Beratung auf diesen Sachverhalt zu beschränken, wenn der Mandant Vorgaben gemacht hat, die in den Formular oder in dem Telefonat geäußert werden. Die Tätigkeit des Anwalts ist schon nach den o.g. Anforderungen an die Beratung verantwortungsvoller und lässt sich weder in einem Telefonat erledigen noch durch ein Onlineformular ersetzen.
 
 
Es erscheint von vornherein verfehlt, auf der Homepage mit einer Ehescheidung „ohne Anwaltsbesuch zu den geringstmöglichen Kosten von Fachanwälten" zu werben.
 
 
Um die übernommene Rechtsbetreuung fehlerfrei vornehmen zu können eine zuverlässige Grundlage für sein weiteres Vorgehen zu haben, hat der Rechtsanwalt zunächst den maßgeblichen Sachverhalt festzustellen. In Wechselwirkung hierzu steht zwar die Informationspflicht des Mandanten, sind dessen Informationen aber unklar oder drängt sich auf, dass der Auftraggeber von falschen Vorstellungen ausgeht, muss der Anwalt nachfragen und aufklären. Dabei ist es Sache des Rechtsanwalts, Unklarheiten durch Rückfragen zu beseitigen und den Mandanten über alle Probleme aufzuklären. Der Anwalt muss die maßgeblichen tatsächlichen Umstände und ggf. die zu erwartenden Einwände des Gegners sammeln, ordnen und berücksichtigen. Dabei muss er den Mandanten gezielt befragen und um Vorlage der einschlägigen Unterlagen bitten (vgl. ausführlich: Handbuch der Anwaltshaftung, 3. Aufl., Rn. 562ff.). Das muss rechtzeitig geschehen, damit die richtigen Rechtsbehelfe ergriffen werden. Dies alles ist bei einer Vertretung eines Mandanten allein mit Hilfe eines Online-​Formulars nicht möglich. Auch eine Erstberatung kurz vor oder nach einem Verhandlungstermin ist aus diesen Gründen verspätet.
 
 
Hier kam die Besonderheit hinzu, dass völlig unklar war, inwiefern die Klägerin Beratungsbedarf hatte. Die Klägerin wollte zwar auf Ehegattenunterhalt und Versorgungsausgleich verzichten, unklar war aber, warum. Beratungsbedarf bestand von vornherein insbesondere hinsichtlich der Einkommensverhältnisse der Ehepartner. Angesichts der unsicheren Einkommenslage beider Ehepartner und insbesondere der zukünftigen Einkommen durften die Anwälte der Beklagten sich nicht mit der angaben der Klägerin zu 1. Zufrieden geben, dieses belaufe sich ungefähr gleich hoch bei ca. 800 Euro. Das war völlig ungewiss und bedurfte der Nachfrage.
 
 
Anmerkung der Redaktion:
 
 
Dieser Fall wirft die spannende Frage auf, inwieweit Anwältinnen und Anwälte eine Beratung „light" anbieten und den Mandatsauftrag beschränken können. Gegenüber Unternehmen kommt das immer wieder vor. Wie ist es aber bei Verbrauchermandaten? Hier bleibt – wie das Urteil zeigt – der Aufklärungs- und Beratungsbedarf im Zweifel groß.
 
 
Die betroffene Kanzlei hatte im Internet unter der Überschrift „Scheidung online" damit geworben, dass eine bundesweite Ehescheidung ohne Anwaltsbesuch zu den geringstmöglichen Kosten von Fachanwälten durchgeführt werden könne. Hierzu verwies die Kanzlei auf ihren „Onlineberatungsservice", der den Download von Scheidungsformularen und einen persönlichen Telefonservice umfasste. Die angebotene Leistung wurde von einer aus Russland stammenden Mandantin in Anspruch genommen, die zehn Jahre vor Mandatserteilung nach Deutschland gekommen und mit einem Chilenen verheiratet war, mit dem sie ein kleines Kind hat. Sie gab in dem Onlineformular an, dass beide Eheleute auf Versorgungsausgleich und Ehegattenunterhalt verzichten wollen. Es kam zu einem Ehescheidungstermin vor dem Amtsgericht Leipzig, in dem die Parteien einen solchen Vergleich schlossen. Die Mandantin verklagte die Kanzlei später auf Schadensersatz, weil sie die Tragweite des Vergleichs nicht überschaut hätte. Das Landgericht Berlin gab ihr Recht. Obwohl die Mandantin in dem Scheidungsformular die Vorgabe gemacht hatte, dass beide Eheleute auf den Versorgungsausgleich und den Ehegattenunterhalt verzichten wollen, hätten die Anwälte dennoch nicht von einem eingeschränkten Anwaltsauftrag ausgehen dürfen, weil es zu viele Anzeichen dafür gab, dass die unerfahrene Mandantin nicht sah, worauf sie verzichtete. Spätestens noch in der mündlichen Verhandlung hätte der Anwalt hier die Notbremse ziehen müssen.
 
 
Die Entscheidung des Landgerichts Berlin belegt, dass die üblichen Haftungsgrundsätze auch bei neuen innovativen Rechtsprodukten gelten. Am Ende bleibt die Erkenntnis: Angesichts immer komplexerer Sachverhalte und Rechtsfragen ist es für die Anwältin oder den Anwalt eine wichtige Aufgabe, den tatsächlichen Bedarf des Mandanten nach Beratung herauszufinden. Dafür ist ein Fragebogen – persönlich übergeben oder über das Internet verteilt – hilfreich, ersetzt aber vermutlich nicht das kritische Nachfragen. Die Entscheidung ist rechtskräftig. Die eingelegte Berufung ist mittlerweile zurückgenommen worden.
 
 
Lesenswert zum Thema Online-​Scheidung ist auch die Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamm vom 7.3.2013-​4 U 162/12 (AnwBl 2013, 662). Der werbenden Kanzlei wurde Recht gegeben. Diese hatte online eingeleitete Scheidungsverfahren als formalisierte Verfahren dargestellt – damit aber nicht den Eindruck erweckt, dass eine anwaltliche Beratung in keinem Fall stattzufinden brauche.
 
 
 
Der Volltext ist im Internet abrufbar unter www.anwaltsblatt.de (AnwBl Online 2014, 386).
 
 
 
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AnwBl 2014, 1059
 
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